Der Vollholz-Raupenkran oder die unendliche Geschichte
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Schwierigkeitmittel
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Kosten1 €
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DauerMehr als 4 Tage
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Öffentliche Wertung
Maschinenspezifikation Raupenkran "Ferro", Baujahr 2015
- Raupenkran mit Gittermast, Gewicht ungefähr 18kg, Auslegerlänge etwa 100cm, mehr als 500 Teile, 100% Handarbeit
- Werkstoff: Leim- und Vollholz Buche, behandelt mit Leinölfirnis oder Bootslack auf schwarzer Beize
- Vollholz-Raupenfahrwerk, 9 Laufrollen und 2 Tragrollen je Raupe, etwa 120 Teile je Kette, Fahrwerksbreite 38cm, Fahrwerkslänge 57cm, Bodenplattenbreite 8cm
- Drehkranz mit Vollholz-Doppelkugellager, Kugeldurchmesser 12mm, etwa 35 Kugeln je Lager
- Entwicklungs- und Bauzeit: 10 Monate
- Kosten: Sorry, kann ich hier echt nicht veröffentlichen. Meine Frau liest mit. Viel zu teuer auf jeden Fall…
Du brauchst
- Akku-Schrauber
- Oberfräse
- Multischleifer
- Stichsäge
- Handkreissäge
- Multifunktionswerkzeug
- Akku-Drehschlagschrauber
- Ständerbohrmaschine
- Dremel
- Schwingschleifer
- Kappsäge
- Dekupiersäge
- Schraubzwingen
- Fräser, Anreißnadel, Bohrer, Hammer, Lappen, Geodreieck, Zirkel, Feilen aller Art, Cuttermesser, Pinsel, Schleifpapier, Forstnerbohrer, Blaupause, quasi meine ganze Werkstattausstattung
- Keine Drehbank! Habe ich nicht...
- 1 x diverse Leimholzplatten | Buche (18mm)
- 1 x diverse Rundhölzer | Buche (4mm bis 60mm)
- 1 x diverse Vollhölzer | Buche (z.B. 80mm x 50mm für die Kette)
- 1 x Holzleimflasche | Ponal wasserfest (die große Flasche)
- 1 x Leinölfirnis | Öl (k.A.)
- 1 x schwarze Beize | Beize (k.A.)
- 1 x Bootslack glänzend | Lack (k.A.)
- 1 x diverse schwarze Filzgleiter | Filz (k.A.)
- 1 x diverse Messingteile | Schrauben, Rundmaterial (z.B. 5mm für Schutzbügel)
- 1 x Kunststoffkordel grün | Kordel (5mm x 5m)
- 80 x Holzkugel | Buche (12mm)
- 1 x Nerven | k.A. (unendlich)
- 1 x diverse Schichtplatten für Schablonen | Kiefer, Birke (z.B. 8mm)
Los geht's - Schritt für Schritt
Die Vorgeschichte
Ja klar, was Einfaches sollte es sein nach dem Riesenaufwand mit meinem Reo über Monate hinweg. Irgendwas Hübsches, Kleines. Ein paar Stunden und fertig. Nix war’s! 10 Monate Garagenbastelei, beinahe hätte es für meinen Filius nicht von Geburtstag zu Geburtstag gereicht. Wie kam es?
Ehrlich gesagt hat mich die an für sich gelungene Lenkung meines Reo im Praxiseinsatz bei meinen Kleinen doch nicht voll überzeugt. Zwar lässt sich der Laster gut ziehen, schieben aber nicht. Das geht noch besser, dachte ich – und machte mich vor etwa einem Jahr an die Planungen für einen kleinen Unimog mit einer Holzlenkung nach Einkaufswagenart – also selbstlenkend. Und dann kam sie - meine Frau! Ich zeige ihr voller Stolz den genialen 3D-Entwurf meines neuen Fahrzeugs, und sie: „oooch nöööö, nicht wieder so ein doofes Auto! Kannste nicht mal was ohne Räder machen?“
Aha, so ist das also, dachte ich mir. Ok, nein, bin nicht beleidigt. Gut, dann eben kein Auto. Kannst Du haben! Aber auf Schwippbogen mach ich jetzt bestimmt nicht. Schiff? Panzer? Kran? Bagger? Kran klingt gut! Mit Ketten … aus Holz, das müsste doch gehen. Das war im November 2014.
Das Vorgehen beim Raupenkran ist im Grunde identisch zum Reo, auch die Bauweise ist gleich. Deswegen spar ich mir bei diesem Projekt noch mal alles zu erklären und gehe nur auf die Knackpunkte und Highlights ein. Leider habe ich auf halber Strecke mein Handy als einzigem Dokumentationswerkzeug auf einer viel befahrenen Landstraße übernachten lassen, so dass meine Fotostory in der Mitte nun eine mehrmonatige Lücke hat. Sorry, ich hoffe ihr glaubt mir auch so, dass ich den Kran selber gebaut habe…
Die Planung
Also, am Anfang stand ein Raupenkran von Sennebogen und mein CAD-System. Beginnend mit dem Raupenfahrwerk habe ich das ganze Modell (bis auf die Hubwerke und die Kugellager) am Rechner vorentworfen und die entsprechenden Einzelteilzeichnungen abgeleitet.
War eine Mords-Arbeit, hat sich aber gelohnt. Vor allem die Länge der Ketten für das Fahrwerk lässt sich per Hand ganz schlecht schätzen. Und es hat quasi alles auf Anhieb gepasst...
Das Raupenfahrwerk
Der Kern des Kranprojekts ist das Raupenfahrwerk, mit dem ich angefangen habe. Ich habe sehr lange gebraucht, um mir eine Möglichkeit für ein belastbares Raupenfahrwerk mit voller Funktion in Vollholz einfallen zu lassen. Vor allem der Antriebsturas des echten Fahrwerks und die seitliche Kettenführung haben mich sehr lange auf einem falschen Gleis gehalten.
Die Lösung kam mit folgendem Ansatz: Lauf-, Trag- und Umlenkrollen des Fahrwerks haben keinerlei Eingriffe in die Kette, die seitliche Kettenführung übernimmt der Rollenträger. Das heißt nichts anderes als dass die Kette am Umfang in kurzen Abständen immer wieder in den Rollenträger eintaucht und so seitlich nicht wegrutschen kann.
Nach diesem Entscheid kam eins zum anderen: die Kettenplatten selber sind T-Profile, die beidseitig über Laschen aus Flachmaterial miteinander verbunden werden. Als Bolzen diesen 5mm-Rundhölzer – dünner habe ich mich wegen der Haltbarkeit nicht getraut.
Faktisch ist es also so, dass der 5mm-Bolzen der Kettenglieder quasi den ganzen Kran dimensioniert hat (solange man wie ich auf halbwegs realistische Größenverhältnisse wert legt).
Der Oberwagen
Der Oberwagen ist eigentlich nichts Besonderes –außer dass das Teil ziemlich groß und schwer ist. Ursprünglich wollte ich als Drehachse zum Unterwagen einfach nur eine Schraube oder ein dickes Rundholz verwenden. Nachdem ich aber die ersten Kettenglieder (ups, die sind aber groß) in den Händen hielt habe ich diesen Plan als zu zerbrechlich schnell verworfen. Eine stabilere Lösung musste her.
Nach langem hin und her dachte ich mir: wie ist das denn eigentlich beim echten Kran? Der verwendet eine Art Rollen- oder Kugellager. Geht das bei meinem Spielzeug auch? Bestimmt!
Also habe ich in die Bodenplatte des Oberwagens und die Oberseite des Unterwagens mit der Oberfräse und einem Halbrundfräser R = 6,3mm je eine Laufbahn für 12mm Holzkugeln gefräst und dasselbe auf der Unterseite des Unterwagens gleich noch mal. Über acht Zuganker aus Messing verspannt läuft der Oberwagen nun auf etwa 70 Holzkugeln Durchmesser 12 mm so leicht, dass in sogar der Herbstwind im Garten in den Wind dreht. Geil, oder?
Das Hubwerk
Die dritte und letzte Hürde beim Kranbau war das Hubwerk oder besser die Hubwerke für Seil und Ausleger. Ziemlich zeitig war klar, dass auch der Ausleger trotz Fachwerkleichtbau relativ schwer würde.
Da man am Spielzeugkran keine riesigen Hebel zum Kurbeln anbringen kann musste ich mir mit dem Flaschenzugprinzip helfen, zumindest beim Auslegerhubwerk. Dazu hat dieses Hubwerk eine bewegliche Seilwinde und eine antriebslose, frei drehende. Das Hubseil läuft beginnend an der beweglichen, angetriebenen Seilwinde dreimal über Umlenkrollen zum Ausleger und wieder zurück bis zur freidrehenden Winde, an der es endet.
Das Flaschenzugprinzip funktioniert aus zwei Gründen sehr gut: erstens kann mein bald Dreijähriger den Ausleger leicht bedienen und zweitens fällt der Ausleger sehr gebremst nach unten, wenn man die Antriebskurbel einfach mal ohne Einrasten loslässt. Sehr materialschonend!
Apropos einrasten. Auch an der Rastfunktion für die Hubwerke habe ich sehr lange getüfftelt und bin schlussendlich auf eine einfache, aber schneidige Lösung gekommen. Von vornherein war klar, dass das Spielen mit dem Kran nur Spaß macht, wenn man die Kurbeln „unter Last“ nicht ständig festhalten muss. Um Abhilfe zu schaffen habe ich alle möglichen Hebeleien ersonnen und wieder verworfen. Letztlich habe ich eine Bohrung außen an beiden Baggerseiten angebracht, in die ein Zapfen auf der Innenseite der Hebel eingreift zum Verriegeln. Damit das funktioniert sind beide Hubwerkswellen seitlich verschiebbar. Meine Kleinen beherrschen das System intuitiv, so dass ich es weiter empfehlen möchte. An den Kontaktstellen helfen übrigens Filzgleiter, hässliche Abdrücke zu vermeiden.
Der Funktionstest
Zu guter Letzt habe ich meine beiden Juniortüten vor Endmontage alles ausgiebig bespielen lassen, was noch zu einigen Modifikationen führte:
Am Ausleger habe ich einen Bügel aus Messing angebracht, da es für Kinder offensichtlich nicht klar ist, dass man den Haken nicht weiter als bis zur Spitze des Auslegers hinaufzieht. Ferner habe ich alle Kettenplatten mit schwarzen Filzgleitern beklebt - das sehr authentische Kettengerassel auf dem Boden hält man auf Dauer einfach nicht aus.
Das war’s aber im Großen und Ganzen schon, ansonsten funktioniert alles bestens.
Dekoration und Schluß
Damit das Ganze eine runde Sache gibt habe ich den Kran zu guter Letzt noch mit ein paar kleinen Anbauteilen wie einem Auspuff, einem Außenspiegel, einem Fahrersitz mit Joysticks und Armaturen, ein paar Trittstufen samt Messinggeländer, einigen Zierschrauben aus Messing und einem Furnierschriftzug am Heck versehen.
Zum ersten Mal überhaupt habe ich mit Leinölfirnis gearbeitet und bin der größte Fan geworden: leicht zu verarbeiten, ergiebig, bedingt überleimbar und vor allem wunderschön. Ich hätte nie gedacht dass die langweilige Buche so hübsch aussehen kann. Kommt auf den Bildern gar nicht richtig rüber.
Noch ein paar Tage, dann bekommt mein Junior seinen Kran zum dritten Geburtstag. Bis dahin gehe ich wohl wieder mal die Garage aufräumen...
Bis 2017
P.S.: Weil die Frage oft im Netz kursiert und ich selber das Problem hatte: geleimte Verbindungen (Buche mit Ponal wasserfest) lassen sich mit einem Heißluftfön einwand- und zerstörungsfrei wieder lösen!
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