In letzter Zeit gab es bei einigen Anfrage zur Hilfe bei Geräten den folgenden Hinweis:
Im Rahmen der Marktüberwachung sind wir als Hersteller verpflichtet, die Sicherheit unserer Produkte im Markt zu beobachten. Aus Sicherheitsgründen raten wir daher strikt von Reparaturversuchen an Elektrowerkzeugen ab. Stattdessen empfehlen wir, Elektrowerkzeuge nur durch qualifiziertes Fachpersonal und nur mit Original-Ersatzteilen reparieren zu lassen.
Ich will weder das Argument der Verpflichtung im Rahmen der Marktüberwachung in Frage stellen noch will ich behaupten, dass der Rat zu qualifiziertem Fachpersonal immer falsch ist.
Und das Original-Ersatzteile (sofern verfügbar) in der Regel die beste Wahl sind steht wohl weitgehend außer Frage.
Auf der anderen Seite steht aber: es geht hier um Werkzeug, das zum Erstellen, Warten und Reparieren von allerleid Dingen gedacht ist, also Arbeiten die teilweise ein vergleichbares oder auch größeres Risiko darstellen als die Reparatur eines Elektrowerkzeuges.
Auf der dritten Seite Verkauft der Bosch Service die Original-Ersatzeile an Jedermann. Man könnte zwar argumentieren, dass der Verkauf an Laien zur Weitergabe an Fachpersonal gemeinsam mit dem Reparaturauftrag geschieht, aber das finde ich weit hergeholt.
Hier sehe ich einen Widerspruch, eine bedenkliche gesellschaftliche Entwicklung, eine zu große Verallgemeinerung und eine Möglichkeit für Bosch, sich beim Verbraucher (Handwerker wie Heimwerker) besser aufzustellen.
Der Widerspruch, Teil 1: Ich verkauf dir ein Teil (woran ich etwas verdiene). Aber ich rate Dir, das Teil nicht einzubauen.
Der Widerspruch, Teil 2: Ich verkaufe dir ein Werkzeug (woran ich etwas verdiene), um Dinge zu reparieren oder zu bauen. Aber bitte repariere das Werkzeug nicht.
Hier klingt mit: Wenn Du es reparierst verdiene ich nur wenig am Ersatzteil. Kauf lieber ein neues, daran verdiene ich mehr.
Die bedenkliche gesellschaftliche Entwicklung: Haftungsvermeidung ist wichtiger als alles Andere. Müll produzieren ist besser als reparieren, weil ich ein Haftungsrisiko eingehe wenn ich dich bei der Reparatur unterstütze. Die Gesellschaft trägt diese Meinung mit. Aber bitte vermeide CO2 auszustoßen, wenn Du die reparabel defekten Geräte in den Müll gibst. Ach nein, zum Recycling wo wir 3% oder 10% des Geräts wiederverwenden und dafür nur genauso viel Energie einsetzen wie für die Herstellung eines neuen Geräts.
Die zu große Verallgemeinerung:Eine
Reparatur an einem Elektrowerkzeug ist nicht immer eine Reparatur an elektrischen Teilen dieses Werkzeuges. Ja, ich muss bei meiner Bohrmaschine das Gehäuse öffnen um die Lager zu wechseln. Aber dabei greife ich nicht in die elektrischen Teile ein.
Es ist eine Reparatur an einem Elektrowerkzeug, wenn ich beim PSS250 eine defekte Schleifplatte wechsle. Aber ich öffne nichtmal das Gehäuse.
Die Möglichkeit für Bosch (oder andere Hersteller) sich besser aufzustellen:Bitte entwickelt Werkzeuge, die sich sehr gut reparieren lassen - in weiten Teilen auch durch Laien.
Bitte gebt uns die Informationen, um eine Reparatur fachgerecht durchzuführen (mit den Hinweisen, wo der Laie wirklich die Finger weglassen sollte).
Bitte verkauft weiterhin Ersatzteile.
Zum Fördern des Recyclings: gebt einen Rabatt auf Ersatzteile bei Einsendung der defekten Teile (muss ja nicht viel sein, um unseren Geiz zu triggern).
Mal zurückgedacht. vor ca. 30 Jahren ging unser Fernseher zuhause kaputt. Mein Vater hat ihn aufgeschraubt. In einem separaten Fach im Gehäuse war ein Schaltplan für den gesamten Fernseher. 220V-Leitungen, 12V-Leitungen, 20kV-Leitungen, Bauteilbezeichnungen mit Teilenummern.
Eine Reparatur mit Schraubenzieher und Lötkolben auf Bauteilebene. an 20kV-Bauteilen mit potientiell geladenen Kondensatoren war damit möglich. Hätte mein Vater sich damit umgebracht, wäre das genau so behandelt worden. Mein Vater hätte (nach öffentlicher und juristischer Meinung) sich durch einen Fehler umgebracht. Nicht der Hersteller des Fernsehers, nicht der der den Schaltplan beigelegt hat, sondern der der die Arbeit fehlerhaft ausgeführt hat.
Das ist eine Verantwortung, der sich meiner Meinung nach jeder selbst stellen muß wenn er entscheidet eine Reparatur durchzuführen.
Und ich sehe es eigentlich eher so:
Wenn ein Hersteller mir ein Ersatzteil verkauft, aber mir nicht verrät wie ich die Reparatur durchführen sollte, dann verleitet mich der Hersteller dazu zu expermentieren und ggf. zu pfuschen.
Wenn ein Hersteller mir ein Ersatzteil nicht verkauft, dann verleitet mich der Hersteller dazu, nicht-originale Teile zu verwenden und dabei ggf. zu pfuschen.
Wenn es Teile gibt wo ich besser nicht selbst dran lange, dann sollten das nur wenige Teile sein, ich sollte darauf gezielt hingewiesen werden und im Idealfall sind diese Teile dann in einer vernünftig tauschbaren Baugruppe gekapselt.
Und ein Blick auf die internationale Gesetzesentwicklung sagt: da ist sowieso einiges fällig.
Frankreich zwingt Hersteller zumindest zu Hinweisen auf der Verpackung, wie leicht ein Gerät repariert werden kann. Hier kann also durchaus auch eine Kaufentscheidung beeinflusst werden.
Die USA diskutieren aktuell in vielen Staaten und auf Bundesebene eine Gesetzgebung zum "Right to Repair". Wenn das verabschiedet wird (was ich hoffe und erwarte) könnte dies zur internationalen Vorlage werden.
Bitte, Bosch, sei hier ein Vorreiter. Sag deinen Kunden wie sie deine Produkte reparieren können, verkauf ihnen die Teile dazu und unterstütze sie nachhaltig und selbstverantwortlich zu handeln.
Gruß
Christian
Nachwort:
Dieser Text ist zum Teil ein "von der Seele schreiben", zum Teil ein Appell an Bosch (und andere Hersteller), zum Teil ein Aufruf dieses Thema hier zu diskutieren.
Nachwort 2:
Ich habe meinen Text hier öffentlich im Internet bewusst mit meinem echten Vornamen und ohne Nachnamen unterschrieben. Ich stehe zu diesem Text (daher der echte Vorname - nicht nur das Pseudonym des Usernamens). Kein Nachname, weil zu öffentlich. Für eventuelle Adressaten bei Bosch: Meine Daten sind bei der Moderation bekannt. Sofern der Wunsch oder Bedarf von Unternehmensseite besteht, dass mich irgend jemand direkt kontaktieren möchte gestatte ich der Moderation explizit meine Kontaktdaten weiterzugeben.