Wie aus einer Nordmanntanne ein echter oberpfälzer Christbaum wurde.Wie ich bei meinem ersten Türchen ja schon geschrieben hatte, gibt es bei uns in der Oberpfalz so eine Tradition was Christbäume angeht, die mir garnicht gefällt. Der typische oberpfälzer Christbaum ist eine Fichte, gerade gewachsen, lang gestreckt, mit möglichst viel und möglichst gleichmäßigem Abstand zwischen den Astreihen. Gut. Weam's gföidt! Mia ned! Ich und zum Glück auch meine Frau, mögen eher so die kleinen, buschigen, dichten Tannen. Da muss jetzt auch nicht so viel Platz zwischen den Astreihen sein. Hinhängen kann man immer was. Und wenn der kleine Kerl etwas schief gewachsen ist, oder schon seine zweite Spitze hat, weil die erste im Sturm davon flog, finden wir das auch nicht so schlimm. Demensprechend haben wir uns unsere Bäume immer nach unserem Geschmack ausgesucht - seit wir beide zusammenleben.
Nun, ebenfalls seit wir zusammenleben haben wir angefangen eine neue Tradition aufzubauen: wir machen das Weihnachtsessen am Heiligen Abend bei uns für die ganze Familie - bei uns wird gefeiert. Das war einfach die beste Lösung, da wir sonst immer kreuz und quer durch Bayern hätten fahren müssen. Im ersten oder zweiten Jahr unseres gemeinsamen Lebens, waren wir mit der Organisation und der Vorbereitung von solchen Familienfeiern noch nicht so vertraut. Also kam es, wie es kommen musst: Der Heilige Abend war da und nichts war fertig. Der Boden nicht geputzt, das Essen nicht fertig und natürlich auch der Baum noch nicht aufgestellt - geschweige denn geschmückt. Aber da so eine Familie ja zusammen hilft, haben dann alle noch etwas mit angepackt...
Von meinem Vater, einem waschechten Oberpfälzer, kam das Angebot: "Sull i enk den Baum schou amol a wengal aschpitzen?" - er fragte also, ob er den Baum soweit am Stamm zurechtsägen sollte, dass er in den Christbaumständer passt. Eine Erleichterung, die ich gerne annahm.
Es verging so etwa eine Stunde, in der die Wohnung gar auf Vordermann gebracht wurde, bis mein Vater aus dem Garten zurück kam: mit einem echten oberpfälzer Christbaum, der einmal eine buschige Nordmanntanne war! Angespitzt war er, aber auch mindestens jede zweite oder dritte Astreihe war fein säuberlich herausgesägt, damit genügend Platz zum schmücken war!
Nach dem ersten Schrecken blieb ja nichts anderes überig - der Baum kam in den Ständer. Die Kerzen an den Baum, auch die Kuglen, Anhänger, Lichterketten und Girlanden. Irgendwann waren wir mit dem Schmücken fertig und auch der echte oberpfälzer Christbaum erstrahlte in weihnachtlichem Glanz - so wie unsere Augen. Es war zwar nicht der Baum, den wir gekauft hatten, aber es war auch ein ganz besonderer, mit seiner ganz eigenen Ppersönlichkeit. Und auch der Abend wurde ein ganz besonders schöner. Die Familie war beisammen, es wurde gegessen, gelacht, gefeiert und alle waren für ein paar Stunden besonders glücklich!
In diesem Sinne: Es ist nicht wichtig, wie chaotisch es zugeht, wie stressig es scheint, wieviel nicht so klappt, wie man es sich vorgestellt hat. Wichtig ist, dass man die Zeit, mit seinen Lieben, mit der Familie und mit Freunden genießen kann. Es sind die glücklichen Stunden, die uns durch unser Leben begleiten und die uns in schweren Stunden helfen.
Bewahrt die glücklichen Stunden und die strahlenden Lichter - am Baum und in euren Herzen!