Wir schrieben das Jahr 1958 ? Ekaat war immerhin schon 10 Jahre alt! Im Oktober zogen wir in die neue Wohnung: 5 Zimmer, anstelle von dreien. Und als es in das spätere Kinderzimmer ging, zeigte Vater auf die Löcher in der Decke: Dort hatte er Steinschrauben einsetzen lassen, um die Eisenbahnplatte daran aufzuhängen. Diese sollte mittels Elektromotor hinauf oder heruntergelassen werden können.
Wir zogen ein und die Platte kam, wurde befestigt und an die Decke gefahren. Als Sicherung gegen Unbefugte war in der Wand ein ausgedientes Zündschloß eines VW-Käfer. Nur war auf der Platte noch gar nichts drauf!
Zu Weihnachten hatte ich mir eine elektrische Eisenbahn gewünscht. Ob ich die wohl bekam? Den Weihnachtsmann gab?s sowieso nur noch für meine Schwester, 3½ Jahre jünger. Die hatte letztes Jahr richtig abgesahnt! Ein Puppenhaus über zwei Etagen, elektrische Beleuchtung und fließend Wasser! Der Weihnachtsmann (Vater natürlich) hatte sich selbst übertroffen. Nun, dachte ich, war ich auch mal dran.
Die Großeltern aus Ludwigsburg ? wir wohnten in Braunschweig ? waren zu den Feiertagen zu uns gekommen. Am Heiligen Abend zogen wir uns warm an, es herrschte Frost und es schneite in dicken Flocken. Wir gingen zur Kirche, die etwa 500m weit entfernt war, zur Christvesper. Nachdem dann endlich das »Oh, du fröhliche..« abgesungen war, verließen wir die Kirche und machten uns auf den Weg nach Hause.
Scherzhaft fragte ich Opa, der stets gerne spazieren ging, ob wir nicht noch eine kleine Runde drehen wollten, in der festen Überzeugung, daß er sicher auch brennend auf die Weihnachtsgeschenke wartete, hatte ich ihm doch etwas ganz schönes gebastelt! Und der Opa sagte: »Ja, das ist eine gute Idee, laufen wir noch ein Stück,« Ich schaute meine Schwester an, diese blickte angstvoll auf mich, als wolle sie sagen, das das doch nicht wahr sein könne! Tatsächlich, kurz vor dem Erreichen unseres Hauses bogen wir ab, um spazieren zu gehen!!
Die ganze Chose dauerte dann noch etwa dreißig Minuten, bis wir dann endlich, endlich die Haustür öffneten und die vier Treppen zu unserer Wohnung hinaufrannten. Und die Erwachsenen brauchten sooo lange!!
Danach, Mutter richtete das Abendessen, derweil Vater den Tannenbaum anzündete, »richtige« Kerzen, versteht sich, obwohl es schon damals Elektrische gab. Nach einer unendlich langen Zeit klingelte das Glöckchen, das Zeichen dafür, daß wir eintreten durften.
Unter dem Baum lagen die Geschenke für uns Kinder. Für mich drei kleine Pakete, was meine Schwester bekam, interessierte mich nicht. Kann da denn die Eisenbahn drin sein?! Müßte doch viel größer sein, das Ganze!
Es wurde noch einmal »Oh du fröhliche..« gesungen und schlußendlich kam von Mutter das erlösende Wort: »Nun, Kinder, packt mal aus...« Das »aus« war noch nicht verklungen, schoß ich auf meine Platz unter dem Tannenbaum zu und öffnete die Päckchen. Im ersten war ? o Enttäuschung - ein Karton mit mir unverständlichen Elekrtoteilen. Was wußte ich damals schon von der Funktionsweise einer elektrischen Eisenbahn! Aber im zweiten Paket fand sich ein kompletter Zug, bestehend aus einer Dampflok mit Tender, Packwagen und drei Personenwagen! Daß dann weiterhin auch noch Schienen gewesen sein mochten, habe ich gar nicht mehr mitbekommen, so selig war ich! Vater kam zu mir, und wir bauten die Eisenbahn unter dem Tannenbaum auf. ?
Danach folgten noch viele Weihnachten mit meinen Eltern, die Geschenke hörten auf, wir waren erwachsen. Doch immer denke ich gern an die Weihnachtsfeste im Kreise meiner Eltern, Schwester, später mit Ehegatten und eigenen Kindern zurück. Niemals, wirklich niemals fiel irgend ein böses Wort zu diesen Feiern!